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Strukturen im Eisenbahnfernverkehr, Herausforderungen und Lösungen

Strukturen im Eisenbahnfernverkehr, Herausforderungen und Lösungen

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Johannes Meichsner

Johannes Meichsner
Analyst Published 10 Aug 2022 Read time: 4

Published on

10 Aug 2022

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4 minutes

Der Klimawandel und Verspätungsmeldungen rücken den Eisenbahnfernverkehr verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit

Obwohl das 9-Euro-Ticket nur im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gültig ist und somit den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und nicht den Eisenbahnfernverkehr umfasst, hat der Verkehrsträger Eisenbahn durch die Einführung des vergünstigten Tickets eine stärkere öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, allerdings zumeist in negativer Hinsicht. Meldungen über Verspätungen und Zugausfälle prägen das Bild des in Zeiten des Klimawandels enorm wichtigen Verkehrsträgers.

Struktur und Wettbewerb 

Im Gegensatz zum SPNV, der in den meisten Fällen von den Bundesländern, Verkehrsverbünden oder von Zusammenschlüssen von Verkehrsverbünden, sogenannten Zweckverbünden, als Organisator beziehungsweise Aufgabenträger durchgeführt wird und der hauptsächlich durch Landes- und Bundesmittel stark subventioniert wird, erhalten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) im Eisenbahnfernverkehr keine direkten Subventionen.

Indirekt wird der Betrieb des Eisenbahnfernverkehrs jedoch durch staatliche Zuschüsse gefördert. Die Deutsche Bahn AG und deren Tochtergesellschaft DB Netz AG erhalten zwischen 2020 und 2030 im Schnitt 5,6 Milliarden Euro pro Jahr an regulären Zuschüssen vom Bund für Ausbauarbeiten am Eisenbahnnetz. Für Bauvorhaben wie Stuttgart 21 werden zudem projektbezogen öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt. Daher dürften die gesamten öffentlichen Zuschüsse in dem Zeitraum bei deutlich über 100 Milliarden Euro liegen.  

Im Eisenbahnfernverkehr nutzen die EVU die von der DB Netz AG zur Verfügung gestellten Slots und zahlen dafür ein Trassenentgelt. Abgesehen von ausländischen EVU, die Verbindungen aus dem Ausland nach Deutschland anbieten, oder Nischenanbietern im Markt der Nachtzüge mit Schlafwagen und des Eisenbahntourismus ist momentan die DB Fernverkehr AG als Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn nahezu ein Monopolist im Eisenbahnfernverkehr.

Ein sehr geringer Marktanteil im Eisenbahnfernverkehr entfällt auf den Anbieter Flixtrain GmbH, der wie der Fernbusanbieter FlixBus zur in München ansässigen Dachgesellschaft Flix SE gehört. Flixtrain setzt analog zu Günstigfliegern auf einen geringen Grundservice und hauptsächlich auf den Online-Vertrieb. Dadurch können Tickets im Schnitt deutlich günstiger als bei der DB Fernverkehr angeboten werden.  Bisher wird der Betrieb von Subunternehmern ausgeführt, es ist aber der Ankauf von Dutzenden eigenen Zugeinheiten geplant.

Reformanstrengungen

Die Pünktlichkeitsquote der DB Fernverkehr bewegt sich im mehrjährigen Mittel zwischen 70 und 80 %, wobei die Auswertungsmethodik immer wieder kritisiert wird, weil beispielsweise durch das Verpassen von Anschlüssen aus Passagiersicht noch deutlich größere Verspätungen entstehen können und komplett ausgefallene Züge nicht in die Statistik einfließen. Auch andere Probleme wie Mängel beim Zugmaterial haben zu einer negativen Reputation der Deutschen Bahn im Allgemeinen geführt.

In Zeiten des Klimawandels lautet der politische Konsens der meisten größeren Parteien, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Attraktivität des Eisenbahnfernverkehrs deutlich zu erhöhen. Ende der 2010er-Jahre hat die Deutsche Bahn die in Zusammenarbeit mit dem Bund die Dachstrategie „Starke Schiene“ erarbeitet. Im Vergleich zum 2019er-Niveau soll beispielsweise die Passagierzahl im Eisenbahnfernverkehr bis 2030 auf 260 Millionen verdoppelt werden.

Unter die Strategie „Starkes Netz“ der DB Netz fällt der Anspruch, das Eisenbahnnetz deutlich leistungsfähiger zu gestalten. Dies soll zum einen durch höhere Frequenzen auf bereits bestehenden Trassen erreicht werden. Hierbei soll vor allem der neue europaweite Signaltechnikstandard ETCS helfen. Zum anderen gibt es Projekte für den Neu- und Ausbau von Trassen. Als großes Ziel ist zudem die Implementierung eines Taktfahrplans geplant, einer Art Drehkreuzkonzept für die Schiene.

Situation im Ausland

In Frankreich fahren die TGV-Hochgeschwindigkeitszüge im Gegensatz zu den ICE-Hochgeschwindigkeitszügen in Deutschland hauptsächlich auf eigenen Trassen. Dadurch muss nicht auf andere Zuggattungen wie Güterbahnen und Nahverkehrszüge Rücksicht genommen werden, was einen reibungslosen Betrieb ermöglicht. Außerdem gibt es in Frankreich wesentlich mehr echte Hochgeschwindigkeitsstrecken, die eine Geschwindigkeit von mehr als 300 km/h erlauben.

Die französische Staatsbahn vermarktet die TGV-Züge unter der Premiummarke TGV inOui und der Günstigmarke Ouigo, die den Passagieren weniger Komfort oder Stornierungsmöglichkeiten bietet. Da in Frankreich TGV-Züge bei der Gesamtreisezeitbetrachtung inklusive Wartezeiten sehr wettbewerbsfähig gegenüber Airlines sind und auch die Günstigmarke Ouigo mit Günstigfliegern preislich konkurrieren kann, gibt es dort relativ wenig Bedarf an inländischen Flugverbindungen.

Die Pro-Kopf-Ausgaben für das Schienennetz sind in der Schweiz weltweit am höchsten, was zu einer sehr hohen Netzleistungsfähigkeit geführt hat. Schon seit den 1980er-Jahren existiert in der Schweiz landesweit ein Taktfahrplan, der seitdem kontinuierlich verbessert wird. Die Verbindungen zwischen den Dutzenden Haupteisenbahnknoten werden zu Stoßzeiten mindestens halbstündlich bedient. Aus netzstrategischen Gründen sind auch eher unbedeutende Städte wie Olten zu zentralen Knoten geworden.

In der Schweiz gibt es zwar auch eine Aufteilung zwischen Nah- und Fernverkehrszügen, aber ein Ticket wird immer streckenbezogen erworben und gilt fast immer für alle Zuggattungen. Zudem erfährt der Eisenbahnverkehr eine sehr hohe Akzeptanz und sehr viele Schweizer haben ein Abo. Es gibt allerdings nur relativ wenige Schnellfahrstrecken und der Fokus liegt auf dem Nah- und mittelschnellen Fernverkehr.

Weitere Reformpotenziale

Reformpotenziale des deutschen Netzes liegen vor allem darin, für den Eisenbahnfernverkehr eigene Trassen zu errichten, was jedoch Jahrzehnte dauern dürfte. Mittelgroße Städte sollten Umgehungstrassen bekommen, weil nicht jeder Fernverkehrszug dort hält und bei der Umsetzung des Taktfahrplans sollten analog zur Schweiz auch kleinere Städte zu zentralen Eisenbahnknoten werden, die verkehrstechnisch sehr günstig liegen.

Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren aufgespalten wird und eine reine Infrastrukturgesellschaft entsteht. Diese dürfte dafür sorgen, dass neue Wettbewerber einen leichteren Zugang zum Fernverkehrsnetz erhalten. Zudem sollen Bauarbeiten durch Komplettsperrungen einzelner Strecken beschleunigt werden.

Fazit

„Jeder vierte Zug der Deutschen Bahn kam 2021 zu spät. Am pünktlichsten waren die Preiserhöhungen zum Jahresende.“

Dieses Zitat aus der ZDF heute-show zeigt den großen Unmut vieler Bahnkunden auf. Festzuhalten bleibt, dass die Deutsche Bahn in den kommenden Jahren weitaus mehr Reformanstrengungen durchführen muss, als bisher beschlossen, um den Erwartungen der Gesellschaft an ein Verkehrsmittel der Zukunft gerecht zu werden.

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