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Sanktionsspirale – Ist das Geld mächtiger als das Schwert?

Sanktionsspirale – Ist das Geld mächtiger als das Schwert?

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Kai Buschbom

Kai Buschbom
Analyst Published 14 Mar 2022 Read time: 6

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14 Mar 2022

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6 minutes

Der Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-Verfahren könnte sich für die deutsche Wirtschaft als ein zweischneidiges Schwert erweisen

Die wechselseitigen Sanktionen bewirkten bereits in der Vorkriegsphase von 2014 bis Anfang 2022 eine strategische Neuausrichtung zahlreicher Wirtschaftssektoren. So reduzierten deutsche Großbanken ihr Engagement in Russland. Die europäischen Tochtergesellschaften russischer Staatsbanken leiden unter den Sanktionen und das Einfrieren der russischen Währungsreserven im Ausland nimmt der russischen Zentralbank die Möglichkeit, den Rubel langfristig zu stützen. Durch die sinkende Kaufkraft der russischen Bevölkerung bricht zudem ein Absatzmarkt für deutsche Unternehmen weg.

Wirtschaftssanktionen in der Vorkriegsphase

Am 18. März des Jahres 2014 ratifizierte die russische Föderation die Annexion der geostrategisch wichtigen Halbinsel Krim, nachdem diese zunächst von militärischen Kräften besetzt worden war und dann ein illegales Unabhängigkeitsreferendum abgehalten wurde. Verbunden mit den auflodernden Kämpfen russischer Separatisten im Osten der Ukraine entschied sich die Europäische Union und damit auch die Bundesrepublik Deutschland dazu, zunächst Einzelpersonen und bestimmte Organisationen zu sanktionieren.

Der Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges 17 im Juli 2014 durch russische Separatisten im Verwaltungsbezirk Donezk führte zu einem ersten Sanktionspaket, das vom Europäischen Rat verabschiedet wurde. Neben dem Import- und Exportverbot von Waffen und den Einschränkungen des Technologietransfers sollte russischen Banken und Unternehmen so der Zugang zu den Primär- und Sekundärkapitalmärkten in der EU erschwert werden.

Im Detail sahen die Finanzsanktionen vor, dass Bürger und Unternehmen der Europäischen Union keine Anleihen, Aktien oder vergleichbare Finanzinstrumente mit einer Laufzeit von über 90 Tagen von staatlichen russischen Banken kaufen oder verkaufen durften. Im September desselben Jahres wurden die wirtschaftlichen Sanktionen erneut verschärft und so durften an die fünf größten Staatsbanken Russlands keine Kredite mehr vergeben werden.

Bereits im August 2014 reagierte Russland mit einem Importverbot für Agrarprodukte aus der EU. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung belief sich allein in Deutschland das Exportvolumen von Schweinefleisch im Jahr 2013 auf 230 Millionen Euro, von Geflügelfleisch auf 78 Millionen Euro und von Rindfleisch auf 5,8 Millionen Euro. Des Weiteren wurden Käse und Quark im Wert von 140 Millionen Euro, Milch im Wert von 5,2 Millionen Euro und Butter im Wert von 4,8 Millionen Euro exportiert.

Die überschüssigen Agrarprodukte der EU wurden auf dem eigenen Binnenmarkt abgesetzt, was zu sinkenden Erzeugerpreisen führte. So wirkte sich die Entwicklung des Erzeugerpreises für Schweinefleisch negativ auf die Umsatzentwicklung der Branche der Schweinehaltung aus, während der Erzeugerpreis für Milch und Milcherzeugnisse im gleichen Jahr stieg und so den Umsatz der Branche der Milchkuhhaltung positiv beeinflusste.

Die Entwicklung des Agrarsektors spielte auch für einige Branchen des Bankensektors eine wichtige Rolle, da er laut dem aktuellen Situationsbericht des Deutschen Bauernverbands der kapitalintensivste Wirtschaftsbereich Deutschlands ist. Der landwirtschaftliche Kapitaleinsatz je Erwerbstätigem belief sich im Jahr 2013 auf rund 498.000 Euro und fällt damit deutlich höher aus als im produzierenden Gewerbe oder im Handel.

Mit einem Kreditvolumen von 23,8 Milliarden Euro war der land- und forstwirtschaftliche Sektor im Jahr 2014 gerade für die im ländlichen Raum stark vertretenen Genossenschaftsbanken einer der wichtigsten Kreditnehmer. Bei den Sparkassen fiel das Kreditvolumen mit 11,2 Milliarden Euro deutlich niedriger aus und spielte dementsprechend nur eine untergeordnete Rolle. Von der Umsatzentwicklung der Agrarbranchen hängt es ab, ob sie ihre Kredite bedienen können.

Auswirkungen der Vorkriegssanktionen

Laut dem ifo Institut war die russische Wirtschaftsleistung schon vor den Sanktionen schwach und entwickelte sich rückläufig. Vom Beginn der Sanktionen bis Ende 2015 verzeichnete Russland einen Rückgang des Exportwerts von 54 Milliarden US-Dollar, während sich die Exporte der westlichen Staaten um 42 Milliarden US-Dollar verringerten. Interessanterweise war von dieser Entwicklung in den meisten Fällen der Handel mit Waren betroffen, die gar nicht sanktioniert wurden.

Grund hierfür waren neben einer größeren Risikoaversion der Marktteilnehmer vor allem die geringe Verfügbarkeit von Finanzmitteln. Investoren aus der EU durften an die Sberbank, die VTB, die Gazprombank und die VEB keine Kredite mit einer Laufzeit von zunächst über 90 Tagen und später über 30 Tagen mehr vergeben. Zudem sollte die Eigenkapitalfinanzierung unterbunden werden. Hauptursache waren allerdings die starken Währungsverluste des Rubels und die abnehmende russische Kaufkraft.

Die Wirtschaftssanktionen und der sinkende Ölpreis führten dazu, dass der Rubel im Jahr 2014 gegenüber dem Euro rund 34 % seines Wertes verlor. Die russische Zentralbank stützte den Rubel allein im Oktober mit mehr als 27 Milliarden US-Dollar, im Oktober mit fast 12 Milliarden US-Dollar und in den darauffolgenden Monaten erneut mit fast 15 Milliarden US-Dollar. Zudem erhöhte die russische Zentralbank den Leitzins von 10,5 % auf 17 %.

Die deutschen Kreditbanken reduzierten nach Auskunft des Bundesverbands deutscher Banken ihre operativen Tätigkeiten in Russland aufgrund der Sanktionen. Demnach erreichten die Forderungen deutscher Geldhäuser im November 2013 mit 9,6 Milliarden Euro gegenüber russischen Banken und 6,7 Milliarden Euro gegenüber Unternehmen und Privatpersonen ein Gesamtvolumen von 16,3 Milliarden Euro. Diese Zahl verringerte sich bis zum Jahr 2021 auf rund 6 Milliarden Euro.

Sanktionen während des Krieges im Jahr 2022

In einer ersten Maßnahme verhängte die EU bereits am 28. Februar ein Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank. Ziel ist es, die Währungsreserven Russlands in Höhe von etwa 600 Milliarden US-Dollar, die vermutlich zu einem großen Teil als liquide Mittel in den Zentralbanken Europas lagern, unbrauchbar zu machen.

Mit ihren Währungsreserven könnte die russische Zentralbank, ähnlich wie im Jahr 2014, den Rubel stützen, indem sie ihre Fremdwährungen gegen Rubel verkauft und somit eine künstliche Nachfrage auf dem Währungsmarkt erzeugt. Da sich viele russische Unternehmen in US-Dollar oder Euro verschuldet haben, würde eine Abwertung des Rubel zu einer Vervielfachung ihrer Schulden in Fremdwährungen und zu ihrem Bankrott führen. Um den Kurssturz des Rubels abzufangen, erhöhte die russische Zentralbank, ähnlich wie 2014, den Leitzins von 9,5 % auf 20 %. Bedingt durch die Coronapandemie haben sich viele Privathaushalte in Russland verschuldet und dürften unter dieser Entwicklung leiden.

Am 02. März schloss die EU die Bank Otkritie, die Novikombank, die Promsvyazbank, die Rossiya Bank, die Sovcombank, die Vnesheconombank (VEB) und die VTB Bank aus dem SWIFT-System aus. Dabei handelt es sich um ein Kommunikationsnetzwerk von weltweit 11.000 Banken, das als belgische Genossenschaft dem EU-Recht unterliegt. Interessanterweise sind die im Rohstoffhandel stark involvierten Großbanken Sberbank und Gazprombank nicht vom SWIFT-Ausschluss betroffen.

Um die Auswirkungen der Sanktionen auf deutsche Unternehmen abzumildern, plant die Bundesregierung, ein Kreditprogramm mit der KfW, einer staatlichen Förderbank, aufzulegen. Sollten zudem die Unternehmen über ihre Versicherer nicht ausreichend gegen Forderungsausfälle im Exportgeschäft abgesichert sein, stehen staatlich abgesicherte Hermes-Bürgschaften in Höhe von elf Milliarden Euro zur Verfügung. Das Investitionsvolumen deutscher Unternehmen in Russland beläuft sich auf 20 Milliarden Euro.

Im deutschen Bankensektor sind vor allem die Tochtergesellschaften der russischen Großbanken direkt von den Sanktionen oder indirekt von ihren Auswirkungen betroffen. So ist die VTB Direktbank eine deutsche Bank, die der Aufsicht der BAFIN unterliegt und die nicht von SWIFT ausgeschlossen worden ist. Trotzdem stellten die deutschen Groß- und Genossenschaftsbanken den Zahlungsverkehr mit ihr ein. Die Sberbank Europe, die nicht sanktionierte Sberbank, ging mit Einlagen in Höhe von einer Milliarde Euro in die Insolvenz. Hier greift allerdings die Einlagensicherung für Privatanleger von bis zu 100.000 Euro.

Fazit und Ausblick

Die Sanktionsspirale gewinnt seit dem Jahr 2014 immer mehr an Fahrt und beeinträchtigt sowohl die Wirtschaft Russlands als auch die der Europäischen Union. Die finale Stufe der Eskalation auf wirtschaftlicher Ebene dürfte die Sanktionierung der Energieversorgung sein. Zwar sind viele Staaten der Europäischen Union von den russischen Öl- und Erdgaslieferungen abhängig, doch machen diese Lieferungen über die Hälfte des russischen Staatshaushaltes aus. Die Sanktionen dürften den Geschäftsklimaindex nachhaltig beeinträchtigen, denn laut einer aktuellen Umfrage der Kloepfel Consulting stufen die Führungskräfte von befragten Unternehmen verschiedener Branchen ihre Zukunftsaussichten mehrheitlich als schlecht ein. Acht Prozent fürchten einen starken Wachstumseinbruch und drei Prozent der Befragten sehen sich sogar in ihrer Existenz bedroht.

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