Die coronabedingte Rohstoffknappheit erschwert in vielen Branchen die Just-in-time-Produktion
Die seit Jahren bewährte Just-in- time-Produktion steht im Zuge der Coronavirus-Pandemie auf dem Prüfstand. Zwischenzeitliche Produktionsstopps auf globaler Ebene sorgen nun vielerorts für Rohstoffengpässe und stark steigende Rohstoffpreise. Dies behindert die Just-in-time-Produktion in verschiedenen Branchen der deutschen Wirtschaft, die auf funktionierende globale Lieferketten angewiesen ist.
Das Just-in-time Konzept – auch bedarfssynchrone Produktion genannt – geht zurück auf den japanischen Autobauer Toyota, der das Modell erstmals in den 1950er-Jahren anwendete. Grundgedanke der Just-in-time-Produktion ist es, dass ein Produkt genau zu dem Zeitpunkt geliefert wird, zu dem es gebraucht wird. So werden Rohstoffe und Komponenten von den Zulieferern in kleinen Mengen und bei Bedarf geliefert, sodass nur das gelagert wird, was benötigt wird.
Hierdurch minimiert sich die Kapitalbindung, Lagerrisiken werden ausgeschlossen und Durchlaufzeiten reduziert. Nicht nur in der Branche der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren ist die Just-in-time-Produktion das dominierende Modell, sondern beispielsweise auch bei Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen oder Herstellern von Bekleidung im Bereich Fast Fashion.
Hohe Nachfrage folgt auf gedrosselte Produktion
Allerdings ist das Konzept der Just-in-time-Produktion auf gesicherte und weltweit durchgängige Lieferketten angewiesen, was sich im Zuge der Coronavirus-Pandemie als Schwachpunkt erwiesen hat. Zu Beginn der Pandemie wurde vielerorts die Produktion vorübergehend gestoppt oder gedrosselt, die Nachfrage nach vielen Rohstoffen ist jedoch zuletzt überraschend schnell gestiegen, sodass in einigen Bereichen die Nachfrage das Angebot übersteigt. Zeitgleich zur reduzierten Rohstoffförderung kommt es zu Logistikengpässen, beispielsweise aufgrund fehlender Frachtcontainer. Diese Entwicklung schlägt sich auch auf die Rohstoffpreise nieder, die zum Teil sehr stark angestiegen sind. So haben sich in den letzten Monaten die Preise für Stahl, Kupfer, Aluminium und Gummi enorm verteuert.
Zulieferer der Automobilindustrie sind beispielsweise besonders stark von der Verteuerung betroffen. Reifenhersteller wie Continental oder Michelin sind mit Preisanstiegen im zweistelligen Bereich für Kautschuk sowie Lieferengpässen konfrontiert, die im Sommer voraussichtlich auch zu Verteuerungen für die Händler – und letztendlich auch für die Endverbraucher – führen werden.
Andere Zulieferbranchen wiederum haben sich aufgrund des vorübergehenden Wegbruchs der Automobilindustrie als stabilem Absatzmarkt umorientiert. Ein Beispiel hierfür ist die Branche der Herstellung von Halbleitern, die nach Umsatzrückgängen zu Beginn der Krise wegen einer gedrosselten Automobilproduktion ihre Produktion umstellte und andere Kunden, beispielsweise aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik, belieferte. Zudem hat die chinesische Automobilproduktion im letzten Quartal 2020 überraschend stark zugelegt, sodass die Versorgung mit Halbleitern auch in naher Zukunft noch unsicher bleiben dürfte.
Auswirkungen auf die Just-in-time-Produktion
Durch die Rohstoffknappheit und Verzögerungen in den Lieferketten gerät die Just-in-time-Produktion zusätzlich unter Druck. Produzierende Unternehmen dürften ihre Lagerbestände – sofern möglich – vorübergehend aufstocken, um etwaigen Lieferproblemen vorzubeugen, und ihr Risiko streuen, indem sie Back-ups für ihre Lieferanten bereithalten. Auch dürfte sich die Herstellung von bestimmten Produkten vorerst verteuern. Dennoch werden die Unternehmen auch nach der Pandemie voraussichtlich nicht zu einem Just-in-case-Modell zurückkehren, das große Lagerbestände vorsieht, die das Niveau der aktuellen Nachfrage übersteigen.
Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie hat internationale Lieferketten und damit die Voraussetzung für eine funktionierende Just-in-time-Produktion gestört. Die derzeit bei vielen Rohstoffen bestehende hohe Nachfrage bei geringem Angebot resultiert in einer Preisrallye. Zusätzlich kommt es aufgrund von Logistikproblemen, beispielsweise in der Frachtschifffahrt, zu Lieferengpässen, wodurch vielerorts die Just-in-time-Produktion erschwert wird und die Materialkosten steigen.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich das Just-in-time-Modell auch nach der Coronavirus-Pandemie weiterhin durchsetzen wird, insbesondere in Branchen wie der Automobilindustrie, die auf die verschiedensten Einzelteile angewiesen ist. Allerdings ist es denkbar, dass Lieferketten lokaler und transparenter werden und Unternehmen vermehrt auf Multiple Sourcing setzen, sprich ihre Rohstoffe von mehreren Quellen aus verschiedenen Regionen beziehen. Der genaue Einfluss der Pandemie auf die Abläufe innerhalb der Lieferketten ist wegen der anhaltenden Krise noch ungewiss, fest steht jedoch, dass der Ausbruch des Coronavirus zu Veränderungen beitragen wird.
Erwähnte Branchen
C14.00DE - Herstellung von Bekleidung
C22.11DE - Herstellung von Reifen
C26.11DE - Herstellung von elektronischen Bauelementen
C26.20DE - Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten
C26.40DE - Herstellung von Unterhaltungselektronik
C26.70DE - Herstellung von optischen und fotografischen Instrumenten und Lasern
C29.10DE - Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren
H50.20DE - Güterbeförderung in der See- und Küstenschiffahrt
Erwähnte Einflussfaktoren
Einflussfaktoranalyse Weltmarktpreis für Stahl
Einflussfaktoranalyse Weltmarktpreis für Gummi
Einflussfaktoranalyse Weltmarktpreis für Aluminium
Einflussfaktoranalyse Weltmarktpreis für Kupfer