Welche Folgen könnte die Erteilung der Förderkredite an Unternehmen nach sich ziehen?
Während der Coronavirus-Pandemie wurden einer Vielzahl deutscher Unternehmen umfassende Förderkredite gewährt. Die Rückzahlung dieser Kredite kann die Unternehmen in den kommenden fünf Jahren allerdings in finanzielle Bedrängnis bringen. Dieser Umstand kann wiederum eine negative Wirkung auf die Kreditgeber haben.
Fördervolumen
Im Zuge der KfW-Sondermaßnahmen wurden nach aktuellem Datenstand 49,6 Milliarden Euro an Krediten als Corona-Hilfen für Unternehmen bewilligt. Das Volumen an Nichtbanken vergebener Kredite hat sich damit 2020 im Vergleich zum Vorjahr erhöht. In Anbetracht des Umsatzes von rund 6,8 Billionen Euro, den deutsche Unternehmen noch 2019 erwirtschafteten, erscheint dies zunächst wenig. Jedoch ist zu beachten, dass die Rückzahlung höherer Kreditsummen unter Umständen von vielen Unternehmen in Deutschland nicht mehr gewährleistet werden könnte, zumal diese 2020 maßgebliche Umsatz- und insbesondere Ertragseinbußen hinnehmen mussten.
Aufgrund der Fortsetzung der Maßnahmen gegen die Virusausbreitung dürfte der Umsatz der Unternehmen 2021 gering bleiben, während viele laufende Kosten wie Mieten weiterhin anfallen, was auch die Erträge niedrig halten dürfte. Die Rückzahlung von Krediten ist jedoch nur möglich, wenn nach Begleichung der laufenden Kosten noch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Insolvenzgefahr?
Einige Wirtschaftsexperten sprechen von einer drohenden Insolvenzwelle, andere zeigen sich zuversichtlich, dass diese ausbleiben wird. Ob es zur Insolvenz einer Vielzahl von Unternehmen kommen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben, die dem Schutz der Gläubiger dienen, ist genau geregelt, wann ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss bzw. darf:
- Pflicht zur Insolvenzanmeldung, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist.
- Recht auf Insolvenzanmeldung, wenn eine negative Fortführungsprognose, d. h. drohende Zahlungsunfähigkeit, besteht.
- Pflicht zur Insolvenzanmeldung, wenn das Unternehmen zusätzlich zur negativen Fortführungsprognose überschuldet ist.
Zahlungsunfähigkeit, die aus mangelnder Liquidität resultiert, ist bei Weitem die häufigste Insolvenzursache.
Einfluss der Coronavirus-Pandemie
Während der Coronavirus-Pandemie brach die Nachfrage nach einer Vielzahl von Konsumgütern ein, was dazu führte, dass viele Unternehmen in Liquiditätsengpässe gerieten und sich einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gegenübersahen. Bleiben die Umsätze und damit die Zahlungseingänge temporär aus, ist eine Zahlungsunfähigkeit schnell gegeben, weshalb die Schließungen von nicht essenziellen Einzelhändlern und Freizeitbetrieben während der Pandemie eine so große Gefahr für viele Unternehmen darstellen.
Aufgrund der schwierigen Situation der Unternehmen war schnelles Handeln vonseiten der Politik gefragt. Neben finanziellen Fördermaßnahmen, mithilfe derer die Liquiditätsengpässe überbrückt werden sollten, wurde die Insolvenzantragspflicht seit dem 1. März 2020 ausgesetzt, was die Unternehmen entlasten sollte. Diese Aussetzung wurde seitdem mehrmals verlängert und gilt nach aktuellem Stand bis zum 30. April 2021. Während dies Unternehmen entlastet, werden gleichzeitig Gläubiger durch diese Maßnahme belastet. Denn so wird ermöglicht, dass viele Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen zunächst nicht mehr nachkommen, ohne vorerst Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies bemerken auch die Inkassodienstleister in Deutschland, die 2020 einen deutlichen Rückgang ihrer Zahlungseingänge beobachteten.
Zerschlagung oder Restrukturierung
Doch was folgt nach Aufhebung der Aussetzung der Insolvenzpflicht? Aufgrund der fortgesetzten Restriktionen ist damit zu rechnen, dass viele Unternehmen weiterhin in Liquiditätsengpässe geraten. Zudem beklagen viele Wirtschaftsverbände, dass Fördermittel nur langsam und nicht in ausreichendem Maße fließen. Eine Insolvenzwelle könnte die Folge sein, spätestens wenn Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können.
Ein Insolvenzantrag hat zwei mögliche Konsequenzen:
- Zerschlagung: Das Unternehmen wird liquidiert und die Gläubiger erhalten aus der Insolvenzmasse so viele finanzielle Mittel wie möglich.
- Restrukturierung: Übersteigen die zukünftig erwarteten Einnahmen bei Fortführung des Unternehmens die aus der Insolvenzmasse gewonnenen Mittel, ist es vorteilhaft für die Gläubiger, wenn das Unternehmen restrukturiert und fortgeführt wird. Häufig muss für die Fortführung des Unternehmens jedoch das Fremdkapital reduziert werden, sodass Gläubiger gebeten werden, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Eine Alternative dazu ist der sogenannte Kapitalschnitt, bei dem effektiv die Eigenkapitalgeber Verluste übernehmen.
Sowohl die Zerschlagung als auch die Restrukturierung haben somit in den meisten Fällen zur Folge, dass die Gläubiger ihre Forderungen nicht zur Gänze zurückerhalten. Dies ist ein großes Risiko für die Förderbanken, die coronabedingte Förderkredite gewährt haben, aber auch für die Kreditbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die bereits vor der Pandemie Unternehmerkredite bewilligt haben. Zusätzlich sind bei Restrukturierungen auch die Verbraucher betroffen. Steigende Arbeitslosenzahlen reduzieren die Haushaltsnettoeinkommen, was wiederum die Fähigkeit zur Rückzahlung von Verbraucherkrediten beeinträchtigen kann. Auch dies ist eine Gefahr für die Kreditgeber.
Innenfinanzierung wichtiger denn je
Unternehmen, die umfangreiche Förderkredite in Anspruch nehmen, werden daher dazu angeregt, ihre Innenfinanzierung zu verbessern. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Unternehmen eigenständig finanzielle Mittel generieren, beispielsweise indem sie Rücklagen bilden, anstatt Gewinne auszuschütten. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist der EDV-Einzelhändler Ceconomy AG, der die MediaMarkt- und Saturn-Märkte betreibt. Der Anbieter erhielt im April 2020 die Zusage der Bundesregierung für einen Kredit in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Voraussetzung für die Bewilligung war, dass der Konzern bis zum Ende der Kreditlaufzeit, also bis Dezember 2021, keine Dividenden ausschüttet. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Unternehmen eigene liquide Mittel zur Verfügung hat, um Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und notwendige Investitionen zu tätigen. Dieses Vorgehen ist jedoch nur dann von Vorteil, wenn das entsprechende Unternehmen überhaupt positive Erträge ausweisen kann.
Fazit
Die Aussetzung der Insolvenzpflicht gekoppelt mit Förderkrediten stellt ein effektives Mittel dar, die Liquiditätsengpässe deutscher Unternehmen während der Pandemie zu überbrücken. Sollten die Maßnahmen nach Beendigung der Pandemie jedoch abrupt abgebrochen werden, ohne dass sich die Ertragssituation der betroffenen Unternehmen zeitgleich zum Positiven wendet, kann dies drastische Folgen für die deutsche Wirtschaft nach sich ziehen. Eine Insolvenzwelle sowie daraus resultierende Schwierigkeiten für die deutschen Banken sind durchaus möglich.
In diesem Bericht erwähnte Branchen:
G47.41DE – Einzelhandel mit EDV-Geräten und Videospielen
K64.19aDE – Kreditbanken einschließlich Zweigstellen ausländischer Banken
K64.19bDE – Kreditinstitute des Sparkassensektors
K64.19cDE – Genossenschaftsbanken
K64.19eDE – Kreditinstitute mit Sonderaufgaben
N82.91DE – Inkassobüros und Auskunfteien
In diesem Bericht erwähnte Einflussfaktoren:
Einflussfaktoranalyse Volumen an Nichtbanken vergebener Kredite
Einflussfaktoranalyse Monatliches Haushaltsnettoeinkommen