Key Takeaways
- Gesetzliche Regularien treiben die Verkehrswende voran
- Elektromobilität und erneuerbare Energien sollen dazu beitragen, den Klimaschutz zu verbessern
- Car-Sharing und andere Konzepte sollen das Mobilitätsverhalten der Verbraucher verändern
In Deutschland, dem Land der Autofahrer schlechthin, in dem die weltweit bekanntesten Hersteller von Kraftwagen beheimatet sind, rückt das Thema Verkehr und ganz besonders der Verkehr mit Pkw immer wieder unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes in den Fokus. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen und Versprechungen der Politik scheint es jedoch so, als ob die Verkehrswende erst in den vergangenen fünf bis zehn Jahren an Fahrt aufgenommen hat.
Was bedeutet der Begriff Verkehrswende?
Die Verkehrswende ist laut Definition des Verkehrsclubs Deutschland der Prozess des Umstiegs der Gesellschaft auf eine umweltverträgliche Mobilität. Die Mobilitätswende, die auf den Prinzipien Vermeidung und Verlagerung beruht, stellt dabei die erste Säule dar. So soll zum Beispiel eine Reduktion des Autoverkehrs, ein Ausbau des Fuß- und Radverkehrs sowie des ÖPNV und eine Verschiebung vom Individualverkehr hin zu gemeinschaftlich genutzten Verkehrsmitteln erfolgen.
Die zweite Säule stellt die Entwicklung und die Umstellung auf nachhaltige Antriebsformen dar. Neben der Substitution fossiler Treibstoffe durch klimaneutrale Antriebstechnologien ist hierbei auch der Fortschritt der Energiewende von Bedeutung. Aktuell hat sich die Bundesregierung zunächst auf den schnellen Ausbau der Elektromobilität mittels staatlicher Förderungen festgelegt und die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien beschlossen.
Damit Elektrofahrzeuge so nachhaltig wie möglich betrieben werden können, müssen diese mit grünem, also nachhaltig erzeugtem Strom aufgeladen werden. Folglich ist eine Sektorenkopplung, also die Verbindung der Sektoren Verkehr und Energieerzeugung, für das Gelingen der Verkehrswende unabdingbar.
Warum ist eine Verkehrswende notwendig?
Der Verkehrssektor war 2021 nach der Energiewirtschaft und der Industrie mit einem Anteil von 19 % der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen in Deutschland. Im gesamten Verkehrssektor konnte zwischen 1990 und 2021 nur eine CO2-Reduktion von lediglich 9,4 % erzielt werden. Trotz starker CO2-Reduktionen durch die Coronakrise ist das die geringste Einsparung aller Sektoren. Über alle Sektoren hinweg reduzierten sich die Treibhausgasemissionen im selben Zeitraum um 38,7 %.
Nach den aktuellen Zielvorgaben der Bundesregierung sollen die Gesamtemissionen in Deutschland bis 2030 um 65 % und bis 2040 um 88 % gegenüber 1990 sinken. Bis zum Jahr 2045 soll sogar eine Treibhausgasneutralität erreicht werden. Um die im Klimaschutzgesetz vorgegebenen Ziele zu erreichen, ist zwischen 2021 und 2025 eine Treibhausgasreduktion um 16,9 % und bis 2030 um 42,6 % erforderlich.
Ausbau erneuerbarer Energien und Individualverkehr
Im Rahmen des sogenannten Osterpakets wurden im aktuellen Jahr neue Ziele für den Ausbau erneuerbaren Energien beschlossen. Bis 2030 sollen mindestens 80 % des Bruttostroms mittels erneuerbarer Energien erzeugt werden, während bereits 2035 eine beinahe treibhausgasneutrale Stromerzeugung erreicht werden soll.
Je höher der Anteil des grünen Stroms am Strommix ist, desto günstiger fällt die Treibhausgasbilanz von Elektrofahrzeugen aus, die im Prinzip nur bei einer Ökostromquote von 100 % emissionsfrei sind. Beim Umstieg auf emissionsfreie Antriebsformen hat sich die deutsche Politik vorwiegend auf die Förderung der Elektromobilität festgelegt.
Politische Anreize für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge:
- Direkte Bezuschussung von Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Zehn Jahre Steuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge
- Förderung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur
Die Bedeutung der individuellen Mobilität wurde auch 2022 im Zuge der starken Preisanstiege von Rohöl und damit auch von Kraftstoffen deutlich.
Maßnahmen im Rahmen der Entlastungspakete 2022:
- Befristete Senkung der Energiesteuer für Kraftstoffe
- 9-Euro-Ticket deutschlandweit für den öffentlichen Personennah- und Fernverkehr
- Erhöhung der Pendlerpauschal
Gesetzliche Regelungen, welche die Antriebswende vorantreiben:
- Flottengrenzwerte bringen Hersteller zur Produktion von Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Ab 2035 ist EU-weit nur noch die Neuzulassung von emissionsfreien Pkw erlaubt. Aktuell wären das nur Pkw mit reinem Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb
Durch die staatliche Förderung der Elektromobilität sowie die gesetzlichen Eingriffe, die regeln, welche Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, sehen sich die Kraftwagenhersteller sowie ihre Zulieferer einem enormen Transformationsdruck ausgesetzt.
Im Jahr 2020 wurden deshalb weitere Förderungen für die Automobilindustrie mit einem Gesamtvolumen von 4,5 Milliarden Euro beschlossen. In Deutschland stellt die Automobilindustrie eine wichtige Leitindustrie dar, weshalb der Transformationsprozess von staatlicher Seite aus stark unterstützt wird.
Auswirkungen auf verschiedene Branchen
Die Verkehrswende und die damit einhergehenden öffentlichen Anreize und Förderungen haben deutliche Auswirkungen auf verschiedene Branchen. Dabei sind vor allem die Hersteller von Kfz und insbesondere die Hersteller von Elektrofahrzeugen betroffen. Die zunehmende Fokussierung auf Elektroantriebe lässt den Absatz von Elektrofahrzeugen stark ansteigen, während die Automobilindustrie in ihrer Gesamtheit jedoch mit dieser Umstellung zu kämpfen hat.
Dabei geraten vor allem Automobilzulieferer unter Druck, die sich stark auf die Herstellung von Teilen, Komponenten und Systemen für Verbrennungsmotoren spezialisiert haben. Dagegen tun sich große Zulieferer wie die Robert Bosch GmbH oder die ZF Friedrichshafen AG aufgrund eines breiteren Portfolios für den Automobilsektor sowie einer größeren Investitionskraft mit der Transformation hin zur Elektromobilität leichter, müssen aufgrund der Umstellung aber teilweise trotzdem Stellen abbauen.
Die Antriebswende geht nicht nur mit dem Wechsel von Verbrennungs- zu Elektromotoren einher, sondern führt auch zu einem deutlich höheren Bedarf an Batterien. Neben einer Bordnetzbatterie benötigen Elektrofahrzeuge auch eine Antriebsbatterie. Somit profitieren die Hersteller von Batterien und Akkumulatoren sehr stark vom Trend hin zur Elektromobilität.
Neben den Ambitionen der Regierung, Deutschland und Europa zu einem Batteriestandort zu machen, versuchen auch Kraftwagenhersteller, Kooperationen mit Batterieherstellern einzugehen und neue Produktionsstätten in Deutschland aufzubauen.
Neue Mobilitätskonzepte
Neben der herkömmlichen Pkw-Nutzung haben sich in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Mobilitätkonzepte entwickelt, die zum Gelingen der Verkehrswende beitragen und die individuelle Nutzung von Pkw verändern können.
Statt einen Pkw zu kaufen oder zu leasen, besteht mittlerweile auch die Möglichkeit, ein Auto-Abo abzuschließen. Hierbei ist die Nutzung eines Pkw gegen eine monatliche Gebühr, meist für einen Zeitraum von einem Monat bis zu drei Jahren, möglich. Dabei sind alle Nebenkosten im monatlichen Beitrag enthalten und der Nutzer muss lediglich zusätzliche Kosten für das Tanken oder Laden sowie die allgemeine Pflege übernehmen.
Auch Mietwagenanbieter haben diesen Trend erkannt und versuchen sich im Bereich der Auto-Abos zu etablieren. Neben Sixt bieten aber auch Autohersteller wie Volkswagen, Mercedes oder BMW Auto-Abos an. Bisher sind Auto-Abos mit einer Anzahl von 40.000 Vertragsabschlüssen im Jahr 2020 jedoch noch ein Nischenprodukt, wobei bis 2030 mit bis zu einer Million Nutzern gerechnet wird.
Ein bereits verbreiteteres Mobilitätskonzept, das vor allem Mietwagenanbietern Konkurrenz machen dürfte, ist das Car-Sharing. Am 1. Januar 2022 waren in Deutschland bereits 3,4 Millionen Nutzer registriert. Ihre Anzahl nahm seit 2017 um durchschnittlich 14,5 % pro Jahr zu.
Beim Car-Sharing sind die Car-Sharing Anbieter in der Regel die Eigentümer der Pkw, während die Nutzer diese kurzfristig gegen eine Gebühr buchen und nutzen können. Dabei zahlt der Nutzer nur für die tatsächlich genutzte Zeit. Insgesamt bietet vor allem das Car-Sharing eine Chance auf eine erfolgreiche Verkehrswende, da ein Fahrzeug gemeinschaftlich genutzt wird, insgesamt weniger Fahrzeuge benötigt und so Ressourcen geschont werden.
Final Word
In Deutschland ist die Infrastruktur im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, ganz besonders in ländlichen Regionen, oft ausbaufähig. In Kombination mit dem traditionsgemäß hohen Stellenwert des Autos erfordert die Verkehrswende einen besonderen Fokus auf den Individualverkehr mit Pkw. Dabei hat die deutsche Regierung einen besonderen Fokus auf die Antriebswende gelegt, die in der gesamten Automobilindustrie einen Transformationsprozess auslösen dürfte.